<< Zurück

 

 - 1 -

Ich fasse mich kurz.

In einem kürzlich erschienen Ausstellungskatalog war zu lesen, ich zitiere: „ ....So werden nicht nur Werke aus Stahl, Stein und Holz gezeigt, sondern auch aus Glas, Textil, Kunststoff sowie Vidoeinstallationen und Lichtkunst...“ Ende des Zitats. - Richtigerweise hätte es heissen müssen: „...neben Arbeiten aus Glas, Licht, Video etc., werden dem Besucher erstaunlicherweise auch immer noch solche in Holz, Eisen und Stein zugemutet....“ Diese traditionellen Bildhauer-Materialen sind in der aktuellen Kunstszene verpönt, ja geradezu exotisch geworden. Der propere Ausstellungsmacher von heute verachtet den Stein. Schwer ist er, zerkratzt den Galerieboden macht Staub. Kunst hat clean und leicht zu sein, schnell produzierbar, schnell aufbaubar, auslegbar, austauschbar. Zudem riecht der Stein nach Handwerk, schlimmstenfalls nach „gutem deutschen Kunsthandwerk“, oder französisch nach „Metier“ und nichts hassen die postmodernen Kunstexegeten mehr als das. Handwerk das hört sich bei denen schlimmer an als Scheisse. Kommt noch dazu, dass sich jeder Grabmalhauer zuhause seinen eigenen Brancusi meisselt. Ulrich Rückriem der lediglich noch mit dem Spalten roher Steinblöcke arbeitet hat einen Endpunkt markiert. Das Material scheint total ausgereizt. Wieso also noch in Stein arbeiten? Was heisst das für mich, ausser der schon fast peinlichen Trotzhaltung gegenüber dem unfreundlichen Zeitgeist? Was bedeutet mir der Stein?

 - 2 - 

 

Zuerst einmal ist er Materie. Und zwar die ursprünglichste Form von fester Materie die wir auf unserem Planeten finden. Erstarrte Energie, abgelagertes Fossiles etc.. In langen Zeiträumen erstarrt, verwittert, wieder verhärtet, gepresst, oftmals kristallisiert, geschoben, geschmolzen, wiederum erstarrt. Vom Homosapiens ausgebeutet, als Werkzeug verwendet, in früherer Zeit und bis vor wenigen hundert Jahren als Kommunikationsmedium dienend, ist er auch Zeuge vergangener Kulturen. –Wenn ich also diesen Stein vor mir habe, zum Beispiel einen Olivin Diabas aus Hessen, ein Eruptionsgestein, langsam erkaltet, danach mehrmals durch gewaltige Kräfte bei Erdverschiebungen zerbrochen und wieder zusammengepresst, bin ich konfrontiert mit dieser langandauernden Geschichte. Einer Geschichte in der das Leben entstanden ist, einer Entwicklungsgeschichte aus der ich selbst hervorgegangen bin, hervorgegangen sein muss. Ich bin also selbst aus dieser Materie durch einen langen evolutionären Prozess entstanden und werde wieder in sie zurückkehren...... Da beginnt mein Dialog, der Stein wird mir zum ganz vertrauten und sehr speziellen Medium. Ich selbst bin nun für einen kurzen Moment Teil seiner Geschichte, kratze, schabe, hämmere mich in ihn hinein, glätte ihn zum Teil, gebe ihm eine Haut. Verletze fortweg und heile wieder. Seine und meine Geschichtlichkeit reiben sich aneinender.

 - 3 -

Wenn ich redlich bin, muss ich festhalten: Mich interessiert heute mit über sechzig Jahren, an der Steinbildhauerei weder das geometrisierende Formen und Formenspiel, noch die gegenständliche Darstellung des Menschen, der Tiere, etc., etwa im Sinne des Neolithikums bis hin zum Kubismus beispielsweise, noch die räumliche Installation, oder gar das Erfinden von Raumkonzepten. Natürlich gebe ich mir alle Mühe, im Zusammenhang mit Ausstellungen meine Steine nicht gerade dumm in den Raum und in die Umgebung zu stellen.. Aber letztlich interessiert mich nur der Fels selbst, die Arbeit am Objekt, am Stein. Der Stein als Spurträger meiner und seiner, im Grunde unerklärlichen Existenz. Intuitiv verändere ich die gefundenen oder dem Steinbruch entrissenen, herausgesägten oder weggesprengten Steinstücke, gebe ihnen in einem längeren Arbeitsprozess eine eigene, von meinem persönlichen Lebensgefühl als Zeitgenosse des 21. Jh geprägte, Gestalt.. Oftmals bringe ich den Stein aus seinem Gleichgewicht. Unhinterfragbare Monumente mit Ewigkeitsanspruch wollen meine Skulpturen nicht sein.

- 4 - 

Wir wissen heute, dass nichts sicher und gesichert ist. Den Stein kultivieren, experimentieren, verändern, Suchen nach dem aussagekräftigsten möglichen Erscheinungsbild, das ständige Verändern und weiter arbeiten mit und am gleichen Stein, meist über Jahre hinweg ist ein unabdingbarer Prozess, ein „work in progress“. 

Und dann, selten genug gelingt das Schönste: Ein unverwechselbares, neues, ganz eigenständiges und zeitgemässes Werk. Und natürlich ist es so: Abgeschlossen ist die Arbeit an einer Skulpur, wenn sie verkauft ist. Dann muss ich den Stein loslassen und einen anderen suchen. Der Dialog beginnt von neuem. 
  

  

Roland Hotz   2009